Donnerstag, 15. Januar 2015

Was ist Schizophrenie?

Die Schizophrenie ist eine der schwersten psychiatrischen Erkrankungen, die es gibt. Etwa eine von 100 Personen erkrankt im Verlaufe ihres Lebens an ihr. Es handelt sich also um eine relativ häufige Erkrankung. In der Regel bricht die Schizophrenie zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr aus. Männer und Frauen erkranken etwa gleich häufig, allerdings ist der Zeitpunkt des Erstauftretens bei Männern im Schnitt früher.

Die Ursachen für die Erkrankung sind sehr vielfältig. Es scheint eine genetische Komponente zu geben, Veränderungen im Gehirnstoffwechsel können beobachtet und Störungen in der kindlichen Entwicklung müssen berücksichtigt werden. Dazu gibt es noch einige Faktoren, die das Auftreten einer Schizophrenie wahrscheinlicher machen. Dazu gehören beispielsweise ein niedriger sozialer Status, Ehelosigkeit oder Jahreszeitliche Einflüsse.

Das Bild vom Verrückten, der durch die Gegend rennt und Laternen oder Bäume beschimpft, vielleicht sogar wild um sich schlägt, trifft häufig nicht zu. Den meisten Menschen in einer schizophrenen Akutphase würde man vielleicht ansehen, dass etwas nicht stimmt, aber mehr auch nicht. Zeigen kann sich eine Schizophrenie natürlich durch offensichtliches Halluzinieren und starke Erregung, sie kann allerdings auch einfach nur durch Gleichgültigkeit, sozialen Rückzug und/oder Denkstörungen geprägt sein. Viele Dinge kann man von Außen sehr schwer beurteilen, da sich die Schizophrenie eben in erster Linie im Kopf des Betroffenen abspielt. Als Außenstehender nimmt man oft nur einen Bruchteil der Problematik wahr.

Der Verlauf einer Schizophrenie kann sehr verschieden sein. Sie kann schnell kommen oder einschleichend beginnen. Sie kann durch einmalige oder wiederkehrende Schübe gekennzeichnet sein. Das Gesamtbefinden eines Betroffenen kann sich über die Zeit verbessern oder verschlechtern. Es gibt sozusagen nichts, was es nicht gibt.
Die Prognose ist heutzutage bei schnellem Einsetzen der Therapie relativ gut. Etwa 60% aller Betroffenen können ins Arbeitsleben komplett (re-)integriert werden, weitere 20% immerhin in Teilzeit. Die wichtigsten Säulen der Therapie sind die Medikamentengabe mit sogenannten Neuroleptika und eine Psychotherapie. Zusätzlich können Soziotherapien die Prognose verbessern.



Angst und Wahn bei melancholischer Depression


Fälschlicherweise denken viele Menschen, dass die Stimmungslage bei Depressionen etwas mit Trauer zu tun habe. Betroffene beschreiben ihren Zustand meist mit Worten wie: versteinert, gleichgültig, leer, unlebendig, tot oder ausgebrannt. Viele sagen explizit, dass sie gar nicht traurig sein können. Selbst bei schwersten Schicksalsschlägen kann es passieren, dass der Depressive kaum eine emotionale Regung zeigt. Freude, Mitleid oder Liebe ist der Betroffene kaum in der Lage zu empfinden, was meist als sehr belastend empfunden wird. Aufmunterungen und Appelle sind meist kontraproduktiv, da sich der Betroffene eher unter Druck gesetzt fühlt.


Angst und innere Unruhe treten oft auf

Für viele Menschen mit melancholischer Depression ist die Angst ein ständiger Begleiter. Oft macht ihnen alles, was vor ihnen liegt, beklemmende Angst. Einfachste Dinge erscheinen ihnen manchmal als nicht zu bewältigen. Der Antrieb, Dinge zu tun, ist gehemmt. Dies kann bis zum depressiven Stupor führen. Das bedeutet, dass der Betroffene sich fast gar nicht mehr bewegt und wie in einer Starre verharrt. Viele Menschen empfinden eine quälende innere Unruhe. Daraus folgend wird das Denken einförmig und unproduktiv. Alles im Kopf dreht sich nur noch um die melancholisch-depressiven Ängste. Auch erhebliche Gedächtnisstörungen können vorhanden sein, was bei vielen Patienten die Angst vor einer möglichen Alzheimer-Erkrankung auslöst. Die meisten Kranken sind während langer Zeit selbstmordgefährdet.


Melancholisch-depressiver Wahn

Wahnerleben unterschiedlicher Ausprägung ist bei bis zu fünfzig Prozent der Patienten zu beobachten. Viele erleben sich als klein, schuldig und nichtig. Oft schreiben sie sich unbegründet Schuld zu. Phrasen, wie "Ich bin ein großer Sünder" oder "Ich gehöre ins Gefängnis" sind nicht selten. Viele Kranke erleben Ängste bezüglich ihrer finanziellen Absicherung oder noch häufiger, der ihrer Angehörigen. Auch der Krankheitswahn findet sich in diesem Rahmen regelmäßig. Die Betroffenen haben übermäßige Angst vor schweren Krankheiten aller Art. Auch solche, die als noch unentdeckt gelten, werden bei sich vermutet. Eine der extremsten Wahnvorstellungen, die schon sehr ins Psychotische abgleitet, ist der Nihilistische Wahn. Dabei steigert sich das Gefühl der Kleinheit und Nichtigkeit zu der Überzeugung, man existiere gar nicht, oder wenn doch, dann nur zum Schein. Was man dabei verstehen muss, ist, dass es nur ein kleiner Schritt von "Ich bin nichts wert" zu "Ich bin nicht" ist. Äußert eine Frau, sie habe keinen Sohn (,obwohl dies eindeutig der Fall ist), steckt dahinter die Überzeugung, sie, die so unwert, klein und unwichtig sei, könne nie und nimmer ein Kind zur Welt gebracht haben. Ein letzter Wahn, der an dieser Stelle angebracht werden soll, ist der Verfolgungswahn. Dieser ist eher von Schizophrenen bekannt. Allerdings gibt es einen Unterschied im depressiven Wahnerleben: Der Depressive glaubt verfolgt zu werden, weil er seine Bestrafung als gerecht empfinden würde. Der Schizophrene dagegen sieht seinen Verfolger als Widersacher.



Dienstag, 27. Mai 2014

Der Herzinfarkt - Brustschmerz und Atemnot


Ein Herzinfarkt ist definiert als Absterben von Herzmuskelgewebe, meist durch eine Verengung der Herzkranzgefäße verursacht. Auslösende Faktoren sind plötzliche körperliche Anstrengung und/oder Stresssituationen. Auffällig ist, dass sich die meisten Infarkte in den frühen Morgenstunden ereignen.


Die Symptomatik kann sehr stark variieren

Typisch für einen Herzinfarkt sind vernichtende Brustschmerzen, die in den linken Arm ausstrahlen und die durch Nitrospray oder Ruhe kaum zu beeinflussen sind. Wissenswert ist noch, dass circa 20 Prozent aller Infarkte ohne Schmerzen einhergehen (sog. "Stumme Infarkte"). Letzteres ist typisch für Diabetiker. Weitere Symptome sind Kaltschweißigkeit, Übelkeit und Erbrechen. Auch Herzrhythmusstörungen (umgangssprachlich: Herzstolpern) und/oder Blutdruckabfall können vorhanden sein.


Die diagnostischen Mittel sind vielfältig

Generell steht eine große Vielfalt an Methoden zur Verfügung, um einen Herzinfarkt auszuschließen oder zu bestätigen. Dazu gehört das EKG (Elektrokardiogramm), wo man die Herzströme sichten kann, die Blutuntersuchung, bei der bestimmte Werte angeschaut werden, die aufschlussreich sein können (z.B. Troponin, CK, Myoglobin, LDH und AST (GOT)). Während die EKG-Veränderungen recht schnell einsetzen, sind erste herzinfarktspezifische Blutwertveränderungen frühestens drei Stunden nach Schmerzbeginn zu erwarten. Und drittens sind bildgebende Verfahren zu nennen. Dazu gehören Ultraschall des Herzens, Koronarangiographie (man schaut sich die Herzkranzgefäße an) und die MRT (Magnetresonanztomographie).
Natürlich gibt es verschiedene Krankheiten, die dem Herzinfarkt in ihrer Symptomatik ähneln können. Dazu gehören die Lungenembolie (Verschluss der Lungenarterien), Erkrankungen des Verdauungstraktes und sogar der Grüne Star, denn auch dieser kann Schmerzen verursachen, die in den Brustkorbbereich ausstrahlen.


Therapeutisch kann man mit Medikamenten, aber auch minimal-chirurgisch eingreifen

Hier soll nur auf die Therapie bei akutem Auftreten eines Herzinfarktes eingegangen werden. Es gibt einige Basiselemente, die in jedem Fall durchgeführt werden sollten und die initial wichtig sind. Dazu gehören Oberkörperhochlagerung, Sauerstoffgabe, Gabe von Nitro-Spray, Einnahme von Beruhigungs- und Schmerzmitteln, Gabe von Heparin und ASS und vorsichtige Verabreichung von Betablockern (z.B. Metoprolol). Um die Medikamente verabreichen zu können, wird in jedem Fall ein Venenzugang gelegt.
Nach dieser Erstversorgung, die schon ambulant durchgeführt wird, kann in der Klinik noch spezifischer behandelt werden. Dazu gehört beispielsweise die PTCA (Perkutane transluminale Koronarangiographie), bei der unter Röntgenkontrolle die betroffenen Herzkranzgefäße wieder erweitert werden können (durch eine sogenannte Stentimplantation). Des Weiteren können Medikamente (z.B. Fibrinolytika) gegeben werden, die die Gefäßverengung gezielt angreifen und sie beseitigen.


Die Prognose hängt sehr stark von dem Einsetzen der Hilfsmaßnahmen ab

Auch heutzutage sterben fast die Hälfte der Patienten am Tag nach dem Infarkt (meist an einer Herzrhythmusstörung, die sich Kammerflimmern nennt). Weitere 5-10 Prozent der Patienten versterben innerhalb von zwei Jahren nach der Erkrankung an plötzlichem Herztod. Natürlich sind das nur Durchschnittswerte. Den stärksten Einfluss auf die Prognose haben der Zeitraum bis zur professionellen Betreuung und die Schwere des Infarktes. Prognostisch relevant sind außerdem das Rauchverhalten (wer nicht raucht, hat eine bessere Prognose) und das Gewicht (je weniger übergewichtig man ist, umso besser ist die Prognose).


Spätkomplikationen müssen durch eine engmaschige Nachsorge ausgeschlossen werden

Eine mögliche Komplikation ist eine Herzbeutelentzündung, welche in diesem Zusammenhang als Dressler-Syndrom bezeichnet wird. Es imponiert meist durch plötzlich einsetzende thorakale Schmerzen in Zusammenhang mit Fieber u./o. Entzündungszeichen in der Blutuntersuchung. Die genaue Ursache dieses Syndroms ist nicht bekannt.
Eine zweite, wichtige Spätkomplikation ist das Herzwandaneurysma, welches wiederum folgende Schäden bedingen kann: Perforation der Herzwand, Thrombenbildung, Herzrhythmusstörungen und Ähnliches. Gerade an dieser Stelle kommt der Nachsorge eine große Bedeutung zu.



Fallbeispiel zum Thema: "Der schmerzhafte Oberbauch"



Behandlung des Herzinfarktes in der Notfallsituation


Eine der einfachsten Maßnahmen, die auch jeder Ersthelfer durchführen kann, ist bei Verdacht auf einen Herzinfarkt die Oberkörperhochlagerung. Dabei sollte der Winkel ungefähr 45 Grad betragen. Durch diese Maßnahme wird das Herz entlastet und einem eventuellen kardiogenen Schock vorgebeugt. Eine weitere wichtige Handlung als Ersthelfer sollte sein, dass man den Betroffenen anweist, sich so wenig wie möglich zu bewegen, um das Herz nicht zusätzlich zu belasten. Weiterhin kann man eng sitzende Kleidungsstücke entfernen lassen, um etwas Linderung der Beschwerden zu erwirken.


Allgemeine Erstmaßnahmen sind die Sauerstoffgabe und das Legen einer Flexüle

Die Gabe von Sauerstoff ist in vielen Notfallsituationen sinnvoll, besonders aber beim Herzinfarkt, denn das Problem ist eben dieses, dass der Herzmuskel an einer Unterversorgung mit Sauerstoff leidet. In der Regel stellt man den Flow auf circa 4-6 Liter/Minute ein. Bei Bedarf kann dieser Richtwert auch erhöht werden. Die zweite wichtige Initialmaßnahme besteht in dem Legen eines periphervenösen Zugangs, also einer Flexüle. Wie üblich sollte der Durchmesser (das Lumen) der Kanüle möglichst groß gewählt werden. Dies hat einen besonderen Grund: Man weiß nicht, ob der Patient nicht eventuell in eine Schocksituation fällt. Diese Situation hat zur Folge, dass die Venen an Armen und Beinen weniger durchblutet werden und es dann schwer ist, einen periphervenösen Zugang zu legen. Und dieser ist in der Herzinfarktbehandlung unerlässlich, da die meisten Medikamente über ihn appliziert werden. Außerdem kann im Falle eines Schocks durch Infusionen diesem entgegengewirkt werden.


Die weitere Therapie unterscheidet sich je nachdem, ob es sich um einen NSTEMI oder STEMI handelt

Zur Unterscheidung: Bei einem NSTEMI ist das EKG weitestgehend unauffällig, während bei einem STEMI die typischen EKG-Veränderungen sichtbar sind (z.B. ST-Strecken-Hebungen; daher der Name,ST-Elevation-Myocardial-Infarction). Der NSTEMI bietet folgende Therapieoptionen: Gabe von Nitraten unter die Zunge (Nitrospray in typischer rosaroter Färbung), Verabreichung von ASS (besser bekannt als Aspirin in der Kopfschmerztherapie), Morphiumapplikation je nach Schmerzstärke, Beta-Blocker-Gabe, z.B. Beloc-zok oder Verapamil-Gabe bei Kontraindikation für Beta-Blocker. Wichtig zu wissen ist, dass ein NSTEMI in einen STEMI übergehen kann, was die Situation verschärft.


Die Therapie des STEMI muss möglichst rasch und zielgerichtet erfolgen

Einige Medikamente sind mit der Behandlung des NSTEMI identisch, wie die Gabe von Nitrospray, ASS, Beta-Blockern oder Morphium. Hinzu kommt das Heparin, welches einen weiteren Verschluss der Herzkranzgefäße verhindert und der Einsatz von Fibrinolytika, die das Gerinnsel auflösen sollen. Allerdings gibt es eine Menge an Faktoren, die eine Behandlung mit Fibrinolytika verbieten (sogenannte Kontraindikationen). Dazu gehören Hirnblutung in der Vergangenheit, jedwede Erkrankung des Hirns und/oder Rückenmarks, bekanntes Bluterleiden und einiges mehr. In jedem Fall muss ein zügiger Transport in eine adäquate Klinik erfolgen, um den Patienten intensivmedizinisch weiter versorgen zu können.



Donnerstag, 4. Oktober 2012

Fallbeispiel: Junger Mann mit akuten Thoraxschmerzen


Anamnese:


Allgemein:

- 30-jähriger Mann
- Verwaltungsfachangestellter
- voll orientiert
- normale Konstitution
- Patient habe seit heute Fieber und stechende Herzschmerzen

Frage: An welche Differenzialdiagnosen denken Sie bei Schmerzen hinter dem Sternum im Zusammenhang mit Fieber?

Differenzierung der Beschwerden:
Er habe noch nie Schmerzen in dieser Qualität gehabt. Die Stärke würde er auf der VAS (Visuelle Analogskala) bei 6 einordnen. Die Schmerzen hätten heute begonnen und seien in ihrer Intensität konstant geblieben. Einen Auslöser könne er nicht benennen. Im Liegen, und wenn er husten müsse, seien die Schmerzen stärker. Leichte Ausstrahlungen in beide Arme seien vorhanden.

Vegetative Anamnese:
Er sei besorgt. Er habe vor einer Stunde 38,5 Grad axilläre Temperatur gemessen. Er fühle sich allgemein schlapp.

Vorerkrankungen:
Er sei Asthmatiker. Er habe vor vier Wochen eine Erkältung gehabt.

Medikamenten- und Suchtanamnese:
Er trinke ganz gern mal ein Gläschen. Rauchen tue er, seitdem er 10 sei (20py). Seine Cannabis-Zeit sei vorbei.

Reiseanamnese:
Er sei vor fünf Wochen auf Urlaub in der Türkei gewesen.

Sozioökonomische Anamnese:
Er habe ordentlich Stress in seinem Beruf. Aber er käme damit klar. Er bräuchte auch immer was zu tun. Seine Freundin habe er jetzt seit 4 Jahren. Kinder seien in Planung.

Familienanamnese:
Bestimmte Erkrankungen in der Familie seien nicht bekannt.

Frage: Mit Augenmerk auf die Reiseanamnese, die durchgemachte Erkältung und die Veränderung der Schmerzintensität durch Lageänderung: An welche Diagnose denken Sie am ehesten?


Befund:

Allgemeines:
- Patient sieht blass aus
- Temperatur rektal: 39 Grad Celsius
Herz-Kreislauf:
- kratzendes Geräusch bei der Herzauskultation (vor allem in Expiration zu vernehmen)
Lunge:
- Untersuchung komplett unauffällig

EKG:
- leichte ST-Strecken-Hebung
Labor: 
- geringfügiger Anstieg von CK und Troponin

Frage: An welche Diagnose denken Sie bezüglich des kratzenden Geräuschs in der Herzauskultation am ehesten? Wie passt dieser Befund mit EKG und Labor zusammen? Was ist Ihre Hauptverdachtsdiagnose?


(für Auflösung bitte scrollen)




























Erläuterung zum Fallbeispiel "Perikarditis"

Die Perikarditis ist ein Krankheitsbild, welches mannigfaltige Ursachen haben kann. Sie kann, grob gesagt, in infektiöse, autoimmune/überempfindlichkeitsreaktive und sonstige nicht-infektiöse Geschehen unterteilt werden. Was die Infektionen angeht, kommen verschiedene Viren, Bakterien, Pilze oder Parasiten in Betracht. In Verbindung mit Autoimmunerkrankungen und Überempfindlichkeitsreaktionen findet sie sich bei rheumatischem Fieber, verschiedenen Kollagenosen, Medikamenteninduktion und als Folge eines Myokardinfarktes (Dressler-Syndrom). Sonstige nicht-infektiöse Ursachen sind sehr vielfältig und reichen von Myxödem, Urämie über mechanische Traumata bis hin zur Folge von Bestrahlung (z.B. bei Tumoren). Es handelt sich also um eine Krankheit, die eine sehr genaue Anamnese erfordert, und auch dann immer noch schwer zu diagnostizieren ist.
In diesem Fallbeispiel haben wir einen 30-jährigen Mann, der am Tag seiner Vorstellung bei Ihnen Herzschmerzen und Fieber bekommen habe. Erst einmal ist zu sagen, dass akute Perikarditiden (es gibt auch chronische Verlaufsformen) oft bei jungen Erwachsenen auftreten. Die Kombination aus stechenden Herzschmerzen und Fieber ist ebenfalls recht typisch. Der Patient sagt weiterhin, dass er einen Auslöser nicht benennen könne, wohl aber Veränderungen in der Intensität der Schmerzen verspüre, wenn er seine Körperlage ändere oder huste. Des Weiteren gibt er Ausstrahlungen in beide Arme an. An diesem Punkt findet man sich mit der Frage konfrontiert, ob es sich hierbei eventuell um einen Myokardinfarkt (MI) handeln könnte. Wir haben Schmerzen im Herzbereich und es finden sich Ausstrahlungen. Folgende Dinge müssen in diesem Zusammenhang differentialdiagnostisch bedacht werden: Das zeitliche Verhältnis zwischen Schmerzen und Fieber kann sehr wichtig sein, wenn man die Perikarditis von einem MI abgrenzen will. Denn während bei Ersterer Fieber und Schmerzen meist zeitgleich einsetzen, empfindet der Patient beim MI die Schmerzen in der Regel einige Zeit, bevor eine Temperaturerhöhung festgestellt werden kann. Untypisch für einen Herzinfarkt ist in diesem Fall auch die Veränderung der Schmerzintensität durch Lageänderung, was für die Perikarditis kennzeichnend ist (im Zusammenhang mit Beteiligung der Pleura). Wissen muss man weiterhin, dass beide Krankheiten mit Ausstrahlungen der Schmerzen einhergehen können. Da ist ein feines diagnostisches Gespür gefragt.
Dass der Patient vier Wochen zuvor eine Infektion der oberen Atemwege gehabt habe, erhärtet die Diagnose einer Perikarditis, da die infektiösen Formen oft von einem solchen Geschehen herrühren. Der Fakt, dass er fünf Wochen zuvor in der Türkei gewesen sei, kann auf eine exotische Infektion hinweisen, was in jedem Fall hellhörig machen sollte. Der Rest der Anamnese ist nicht wirklich richtungsweisend.
Interessanter wird es dann wieder bei der körperlichen Untersuchung. Das Fieber bestätigt sich. Wenn man weiterschaut, wird die Dringlichkeit noch deutlicher. Der Patient weißt ein kratzendes Geräusch über dem Herzen auf, welches vor allem in der Expiration zu vernehmen ist. Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um das berühmte Perikardreiben. Es entsteht durch das Aufrauen des Herzbeutels durch die Entzündung, was mitverantwortlich für die Schmerzen ist. Dass die Untersuchung der Lunge komplett unauffällig ist, findet deshalb Erwähnung, weil die Schmerzen bei Lageänderung und Husten auf ein begleitendes pleurales Geschehen (pleuritischer Schmerz) hinweisen. Mit einem Paukenschlag kommen dann noch EKG und Labor daher. Das EKG weißt eine ST-Strecken-Hebung auf, und im Labor finden sich Erhöhungen von CK und Troponin. Beide Ergebnisse sind ebenfalls typisch für den Myokardinfarkt. Allerdings ist es gut, im Hinterkopf zu haben, dass EKG-Veränderung und Erhöhung bestimmter Laborparameter mit Hinweis auf Myokardzerstörung (was ja CK und Troponin sind) bei der Perikarditis ebenfalls vorkommen, allerdings in weniger signifikantem Maße.
Zum Abschluss soll noch auf einige Komplikationen der akuten Perikarditis eingegangen werden.
Sie geht oft mit einem Perikarderguss einher, welcher seinerseits als Gleitmittel fungiert und das Perikardreiben und somit auch die Schmerzen einschränkt. Im Zusammenhang mit dieser Erkrankung ist ein Nachlassen der Schmerzen also nicht zwingend ein gutes Zeichen. Wirklich bedeutsam wird dieser Erguss, wenn er in großem Maße zunimmt und sich eine Herzbeuteltamponade (Perikardtamponade) entwickelt. Diese stellt einen absoluten medizinischen Notfall dar. Sie führt dazu, dass die Füllung des Herzens beeinträchtigt wird. Es kommt also zu einem Rückstau des Blutes in die herznahen Venen. Imposant zeigt sich dies, wenn die Halsvenen als Folge hervortreten. Und dann ist auch höchste Eile geboten, denn eine geringere Füllung des Herzens führt logischerweise zu einer akuten Hypotonie, Tachykardie und Atemnot. Mit anderen Worten: Es entsteht eine Schocksymptomatik (es handelt sich genauer gesagt um einen kardiogenen Schock). Ein interessanter Untersuchungsbefund bei Patienten mit einer Herzbeuteltamponade kann der sogenannte Pulsus paradoxus sein. Dabei handelt es sich um einen Abfall des systolischen arteriellen Drucks bei Inspiration des Patienten. Im Extremfall kann man sogar feststellen, dass der periphere Puls (z.B. an der A. radialis) beim Einatmen des Patienten komplett verschwindet.
Eine zweite, wichtige Komplikation der akuten Perikarditis ist der Übergang in eine chronische Perikarditis. Dabei kommt es zu einer Schrumpfung des Herzbeutels. Der Fachbegriff dafür ist Pericarditis constrictiva (Panzerherz). Durch dieses Geschehen wird das Herz dauerhaft eingeschnürt, mit Folge einer chronischen Herzinsuffizienz. Es können sich obere und untere Einflussstauungen bilden, welche, wie schon bei der Herzbeuteltamponade, als prall gestaute Halsvenen darstellen können.
Diagnostisch ist das Mittel der Wahl bei der Perikarditis die Echokardiographie. Therapeutisch kann bei einem ausgedehnten Erguss eine Punktion durchgeführt werden. Begleitend muss, neben dieser rein symptomatischen Therapie, nach den Ursachen gefahndet werden, welche sich, wie oben dargestellt, sehr vielfältig darstellen. Und da kann unter Umständen einiges an Geduld vonnöten sein.



Dienstag, 2. Oktober 2012

Fallbeispiel: Die müde Frau


Anamnese:

Allgemein:
- 50-jährige Frau
- voll orientiert
- normale Konstitution
- Patientin sei seit einer Woche sehr müde, habe seit drei Tagen leichtes Fieber und nun auch noch dezente Atemnot, weshalb sie jetzt zu Ihnen gekommen ist

Frage: An welche Differenzialdiagnosen denken Sie bei subakutem Fieber und Atemnot?

Differenzierung der Beschwerden:
Sie habe noch nie solche Beschwerden gehabt. Einen Auslöser könne sie nicht benennen. Sie habe vor vier Wochen eine Erkältung gehabt.

Vegetative Anamnese:
Die Patientin ist leicht unruhig. Sie fühle sich allgemein unwohl. Sie klagt weiterhin über Anfälle von Herzrasen, selbst wenn sie sehr müde ist. Sie schlafe derzeit sehr viel. Husten oder Auswurf habe sie nicht.

Vorerkrankungen:
Es sei nur ein leichtes Asthma bekannt.

Medikamenten- und Suchtanamnese:
Sie nehme keine Medikamente, rauche nicht und trinke wenig Alkohol.

Reiseanamnese:
Sie sei in den letzten Monaten nicht verreist.

Sozioökonomische Anamnese:
Sie sei verwitwet, aber es gehe ihr so weit gut. Sie arbeite als Angestellte im öffentlichen Dienst und sei mit ihrer Arbeit zufrieden.

Familienanamnese:
Ihr Großvater sei an einem Herzinfarkt gestorben. Ihr Vater habe Bauchspeicheldrüsenkrebs gehabt, diesen jedoch bis jetzt überlebt.


Befund:

Allgemeines:
- Patientin sieht blass aus
- Temperatur: 38,5 Grad Celsius (rektal)
Herz-Kreislauf:
- Herzfrequenz: 50/min
- Blutdruck: 110/70
- EKG: AV-Block I. Grades


Ein kniffliger Fall. Frage: Welche Differenzialdiagnose vermuten Sie am ehesten?


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Erläuterung zum Fallbeispiel "Myokarditis"

Hierbei handelt es sich um eine knifflige Symptomatik, welche allerdings zu diesem Krankheitsbild passt. Die Myokarditis verläuft oft asymptomatisch. Auch ist sie oft nicht wirklich gefährlich. Aber es gibt eben Ausnahmen. Und deshalb wird dieses Fallbeispiel hier auch behandelt.
Bei der Myokarditis handelt es sich, wie der Name schon sagt, um eine Entzündung des Herzmuskels. Sie verläuft zumeist akut oder subakut; in der Regel klingt sie vollständig von selbst wieder ab. Die typischen Leitsymptome (, welche ja alles in allem recht unspezifisch sind) sind in diesem Fallbeispiel alle zu finden. Die Patientin hat mäßiges Fieber, fühlt sich schwach, verspürt leichte Atemnot. Beachtenswert sind die Anfälle von Herzrasen, welche in Ruhe beginnen. Dies ist ein relativ typischer Befund für die Myokarditis. Auch die durchgemachte Erkältung im Zusammenhang mit der derzeitigen Symptomatik sollte hellhörig machen. Oft gehen Infektionen der oberen Atemwege mit Myokarditiden einher, verlaufen allerdings meist ohne Symptome und heilen komplett wieder ab. Prinzipiell können alle Erreger, welchen den menschlichen Körper zu befallen vermögen, eine Myokarditis auslösen, allerdings spielen Coxsackieviren eine besondere Rolle, da sie überdurchschnittlich häufig im Zusammenhang mit dieser Erkrankung stehen. Der AV-Block I. Grades, welcher im Befund genannt wird, ist als Alarmsignal bei Verdacht auf Myokarditis zu sehen, denn Herzrhythmusstörungen in Zusammenhang mit einer Myokarditis sind als ein schwer verlaufender Fall zu werten, da dann ein plötzlicher Herztod droht, auch wenn dieser nicht zu häufig vorkommt.
In diesem Fallbeispiel ist die Reiseanamnese explizit erwähnt, da sie in jede Fiebersymptomatik gehört.
Allgemein kann man noch erwähnen, dass bei der Myokarditis folgende Komplikationen drohen: eine Herzinsuffizienz, eine Perimyokarditis (eine kombinierte Entzündung von Peri- und Myokard, wenn die Infektion also auf den Herzbeutel übergreift) und/oder eine dilatative Kardiomyopathie (, welche ihrerseits auch zu einer Herzinsuffizienz führen kann).
Die Therapie bei symptomatisch verlaufenden Myokarditiden besteht aus strenger körperlicher Schonung und medikamentöser Stabilisierung der Herzleistung. Bei Nachweis bakterieller Erreger kommt eine zielgerichtete Antibiotikatherapie dazu.
Eine große Bedeutung hat bei der Myokarditis die Rezidivprophylaxe, da Rezidive sehr häufig vorkommen und oft schwerer verlaufen als die Ersterkrankung.




Montag, 1. Oktober 2012

Fallbeispiel: Akute Schmerzen im Brustkorb


Anamnese:

Allgemein:
- 60-jähriger Mann
- voll orientiert
- adipöse Konstitution
- plötzliche Schmerzen im Brustkorb

Frage: Welche Differenzialdiagnosen fallen Ihnen zum Thema akuter Thoraxschmerz ein?

Differenzierung der Beschwerden:
Symptome hätten vor 20 Minuten begonnen und seien in ihrer Intensität ungefähr gleich geblieben. Der Patient kenne solche Beschwerden noch nicht. Einen Auslöser könne er nicht benennen.
Die Schmerzen seien mittelstark. Die Qualität der Schmerzen beschreibt er als stechend. Das Symptom findet sich im gesamten Brustkorb und zwischen den Schulterblättern. Ausstrahlungen seien nicht vorhanden.

Vegetative Anamnese:
Der Patient berichtet von leichter Angst. Fieber habe er nicht, aber er schwitze mäßig. Er verspüre eine leichte Übelkeit und ihm schwindele es ein wenig. Atemnot habe er nicht. Er klagt über Herzklopfen.

Vorerkrankungen:
Bei ihm sei ein hoher Blutdruck bekannt. Dazu habe er regelmäßig Kopfschmerzen.

Medikamenten- und Suchtanamnese:
Er nehme Mittel gegen den Blutdruck. Er sei Raucher (40py).

Sozioökonomische Anamnese:
Der Patient sei verheiratet.

Familienanamnese:
Seine Mutter sei an einem Herzinfarkt gestorben. Sein Vater habe Lungenkrebs gehabt.

Fragen: Welche Vermutungen kommen Ihrer Ansicht nach bezüglich der beschriebenen Anamnese in Betracht? Welche Thoraxkrankheiten können mit stechenden Schmerzen einhergehen? Welche Rolle messen Sie den genannten Kopfschmerzen bei?


Befund:

Allgemeines:
- Patient sieht blass aus und ist kaltschweißig
Herz-Kreislauf:
- Herzfrequenz: 100/min
- Blutdruck: 140/80
- schwacher peripherer Puls an der linken A. radialis
- auskultatorisch unspezifisches Geräusch an der linken A. carotis communis

Frage: Was ist Ihre favorisierte Diagnose, besonders in Hinblick auf das Pulsdefizit am linken Arm und dem unspezifischen Geräusch an der linken A.c.c.?


(zur Auflösung bitte scrollen)


























Erläuterung zum Fallbeispiel "Aortendissektion"

Eine Aortendissektion ist definiert als ein Einriss der Innenschicht der Aorta. Meist ist, aufgrund hoher hydraulischer Scherkräfte die Aorta ascendens betroffen. Die gängigste Klassifikation der Aortendissektion ist nach Stanford benannt und unterscheidet Typ A und Typ B. Dabei spricht man vom Typ A, wenn die Aorta ascendens (proximale Dissektion) und vom Typ B, wenn die Aorta descendens (distale Dissektion) betroffen ist.
In dem Beispiel finden wir einen älteren Herrn mit bekanntem Bluthochdruck, was absolut typisch ist, da die Aortendissektion bei Männern doppelt so häufig, wie bei Frauen vorkommt, eine Häufung im höheren Lebensalter besteht und ein prädisponierender Faktor die Hypertonie ist. Etwas verwirrend ist, dass die Schmerzen nur mittelschwer zu sein scheinen, während normalerweise rasende Schmerzen beschrieben werden. Typischerweise finden sich die Schmerzen an Vorder- und Rückseite des Thorax, was auch in diesem Fallbeispiel beschrieben ist. Nicht beobachtet worden ist ein Wandern der Schmerzen, was bei progressivem Einreißen der Aorta typisch ist. Dass der Patient keinen klaren Auslöser benennen kann, ist ein Befund, der ins Bild der Aortendissektion passt. Die Familienanamnese ist etwas kniffelig gestaltet. Seine Mutter sei an einem Herzinfarkt gestorben, an welchen natürlich auch hier gedacht werden muss, da sich die Bilder dieser zwei Notfälle sehr ähneln können. Der Lungenkrebs beim Vater ist ebenfalls irreführend, denn im Zusammenhang mit dem Rauchen bei dem hier beschriebenen Patienten (40py), kann man auch diese Krankheit hier vermuten, wobei der Lungenkrebs selbst sicher nicht mit dieser Symptomatik einhergehen würde, wohl aber ein eventueller Pneumothorax als Folge eines Durchbruchs durch ein Malignomgeschehen. Gegen den Pneumothorax spricht allerdings der unauffällige Befund der Lungenuntersuchung. Einen sehr speziellen Hinweis gibt der Patient durch die Angabe von regelmäßigen Kopfschmerzen. Man muss in diesem Zusammenhang wissen, dass Patienten in der Regel nicht zwischen Kopf- und Gesichtsschmerzen unterscheiden können. Bei diesem Fall soll es sich um Gesichtsschmerzen handeln, welche wiederum den Bogen zur Arteriitis temporalis spannen sollen, welche einen Risikofaktor für eine Aortendissektion darstellt.
Zur körperlichen Untersuchung ist Folgendes anzumerken: Blässe und Kaltschweißigkeit sind als vegetative Reaktion auf das Geschehen zu werten. Die Aortendissektion kann je nach Stadium mit Hypo- oder Hypertonie einhergehen. Der schwache periphere Puls an der linken A. radialis kann ein Hinweis auf die Lokalisation der Dissektion sein (in diesem Fall nach dem Abgang des Truncus brachiocephalicus). Das unspezifische Geräusch in der Auskultation der linken A. carotis communis erhärtet den Verdacht bezüglich der Lokalisation.
Abschließend soll noch gesagt werden, dass die akute Aortendissektion eine Krankheit ist, die trotz intensivmedizinischer Therapie und Operationen eine Sterblichkeit von ca. 20 Prozent aufweist. Sie ist also als absoluter Notfall zu betrachten, bei dem jede Minute zählt.