Dienstag, 25. September 2012

Fallbeispiel: Student mit schmerzhaftem Bauch


Anamnese:

Allgemein:
- 22-jähriger Patient
- voll orientiert
- athletische Konstitution
- Student
- Schmerzen im rechten Unterbauch

Frage: Welche Differenzialdiagnosen fallen Ihnen zum Thema Bauchschmerzen ein?

Differenzierung der Beschwerden:
Die Schmerzen hätten vor zwei Tagen begonnen. Zuerst seien sie im Oberbauch lokalisiert gewesen; dann nach unten gewandert. Der Patient habe solche Beschwerden noch nie gehabt. Einen Auslöser könne er nicht benennen. Die Schmerzen seien mittelstark. Der Schmerz im Oberbauch sei etwas schwächer und krampfartig gewesen. Der Schmerz jetzt sei dauerhaft vorhanden. Er beschreibt es, wie als wenn ihm jemand in den Bauch schlagen würde. Ausstrahlung gäbe es keine.

Frage: An welche Krankheit(en) denken Sie, wenn Sie von einem Wandern der Schmerzen hören?

Vegetative Anamnese:
Er berichtet über Appetitlosigkeit, Aufstoßen und Blähungen (Stuhlgang bringe keine Erleichterung). Er glaube weiterhin, leicht erhöhte Temperatur zu haben. Im Übrigen seien Übelkeit und Erbrechen intermittierend vorhanden.

Vorerkrankungen:
keine

Medikamenten- und Suchtanamnese:
Er nehme keine Medikamente, rauche nicht und trinke nur selten Alkohol.

Reiseanamnese:
Er sei in den letzten Monaten nicht verreist.

Familienanamnese:
Sein Vater habe Darmkrebs gehabt; seine Mutter Eierstockkrebs.

Fragen: Haben Sie schon eine Verdachtsdiagnose? Worauf legen Sie jetzt bei der körperlichen Untersuchung wert?


Befund:

Allgemeines:
- die Körpertemperatur liegt bei 38 Grad Celsius
Abdomen:
- Loslassschmerz im linken und rechten unteren Quadranten
- Klopfschmerz im rechten unteren Quadranten
- muskuläre Abwehrspannung über große Teile des Abdomens
Labor:
- Leukozyten: 16000/Mikroliter

Frage: Was ist nun die wahrscheinlichste Verdachtsdiagnose, vor allem in Anbetracht des Loslassschmerzes im Unterbauch?


(zur Auflösung bitte scrollen)

























Erläuterung zum Fallbeispiel "Akute Appendizitis"

Die akute Appendizitis ist ein Krankheitsbild, welches vor allem durch seine Hauptkomplikation, die Peritonitis, eine große Gefahr für Leib und Leben darstellt. Wenn die Appendix platzt und sich das eitrige Material im Bauchraum verbreitet, kann eine Bauchfellentzündung entstehen, die sehr schwer zu behandeln und langwierig sein kann. Deshalb ist eine zügige Diagnostik von entscheidender Bedeutung.
Die allgemeine Anamnese beschreibt einen Patienten im jungen Erwachsenenalter, was für eine Appendizitis sehr typisch ist. Im hohen Alter tritt sie sehr selten auf. Er klagt über Schmerzen im rechten Unterbauch. Das kann natürlich erst einmal alles und nichts sein. Deshalb kommt der Differenzierung der Beschwerden an dieser Stelle eine besondere Bedeutung zu.

Der Patient berichtet, dass die Schmerzen zwei Tage zuvor begonnen hätten. Die Wanderung der Schmerzen ist ein erster Hinweis auf eine Appendizitis. Der typische Fall einer Appendizitis ist, dass die Schmerzen anfangs diffus im Bauch (oft am ehesten periumbilikal) lokalisiert sind. Die Wanderung in den rechten unteren Quadranten folgt dann im Verlauf. Oft begleitet von Übelkeit und Erbrechen, was in der vegetativen Anamnese auch erscheint. Man muss sich allerdings klarmachen, dass diese typische Symptomatik nur bei circa der Hälfte aller Patienten auftritt.
Dass der Patient solche Schmerzen noch nie gehabt habe, ist ebenfalls typisch, ebenso wie das Fehlen eines klaren Auslösers.
Die vegetative Anamnese gibt weiteren Aufschluss. Der Patient ist appetitlos. Dieses Symptom ist bei einer Appendizitis eigentlich immer vorhanden. Man kann also sagen, dass ein Patient mit Hunger keine Appendizitis haben kann. Die Blähungen, bei denen Stuhlgang keine Erleichterung bringt, sind ein weiteres Indiz. Die leicht erhöhte Temperatur als Zeichen einer Entzündung wird später in der körperlichen Untersuchung noch bestätigt und findet sich ebenfalls bei den meisten Patienten mit dieser Erkrankung.
Bei Schmerzen im Bauchbereich mit Übelkeit und Erbrechen muss auch immer an eine Infektionskrankheit gedacht werden. Deshalb ist die Reiseanamnese hier durchaus von Bedeutung. Dass beide Elternteile Krebserkrankungen hatten, verwirrt in diesem Fall eher, als dass es hilft. Denn natürlich könnte der junge Mann auch Krebs haben. Dagegen allerdings spricht beispielsweise die räumliche Verlagerung der Schmerzen im Krankheitsverlauf.

Bei der Diagnostik steht nun natürlich die Untersuchung des Abdomens im Vordergrund. Der beidseitige Loslassschmerz ist absolut typisch für die Appendizitis, genauso wie der Klopfschmerz im rechten unteren Quadranten. Die muskuläre Abwehrspannung ist ein eher seltenes Zeichen bei einer Appendizitis kann aber vorkommen.
Das Labor offenbart eine mittelstark ausgeprägte Leukozytose, wie sie bei dieser Erkrankung vorkommen kann. Allerdings muss man sich klarmachen, dass der Laboruntersuchung eine untergeordnete Rolle zukommt, denn eine Leukozytose ist in diesem Zusammenhang nicht obligatorisch. Besteht allerdings eine Leukozytose von über 20000 Zellen/Mikroliter, so muss man wissen, dass solch hohe Werte bereits auf eine Perforation der Appendix hinweisen können.
Die endgültige Diagnose der Appendizitis wird im Übrigen durch eine Sonographie des Abdomens gestellt, wo man durch Sichtung einer vergrößerten und wandverdickten Appendix die Diagnose relativ sicher stellen kann.


Zum differenzialdiagnostischen Weiterlesen: "Bauchschmerzen durch den Verschluss von Hohlorganen"



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen